Die tägliche Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme gehört für einen Großteil der Menschen zur Normalität. Der Schluckakt, also das Herunterschlucken von zugeführter Nahrung und Getränken passiert nahezu unterbewusst und bedarf keinerlei kognitiver Anstrengung. Dass bei jedem Schluckvorgang eine ganze Reihe von körperlichen Prozessen ablaufen, wird den meisten erst bewusst, wenn sie mit einer Rachenraum- oder Halsentzündung zu kämpfen haben.
Für etwa fünf Millionen Menschen in Deutschland ist die normale Nahrungsaufnahme keine Selbstverständlichkeit. Bis zu 22 Prozent der über 55-Jährigen leidet unter einer Schluckstörung, einer sogenannten Dysphagie. Der Begriff setzt sich aus den griechischen Worten „dys” für fehlerhaft und „phagien” für essen zusammen, wobei solche Schluckstörungen sich auch auf Flüssigkeiten und Speichel beziehen können.
Die Ursachen für Schluckstörungen sind vielseitig. Jeder Mensch kennt wohl ein Verschlucken nach zu hastigem Essen oder Trinken, wenn ein Teil der Nahrung oder Flüssigkeit anstatt in die Speiseröhre in die Luftröhre gelangt. Durch Husten und manchmal auch leichtes Würgen reguliert der Körper diesen „Fehltransport” in der Regel zügig von selbst und es besteht kein Grund zur Sorge. Es gibt jedoch auch krankhafte Formen von Schluckstörungen, die einer ärztlichen Untersuchung bedürfen.
Eine sogenannte funktionelle Schluckstörung, auch myofunktionelle Störung genannt, manifestiert sich bereits in jungen Jahren. Manche Kinder erlernen schlichtweg ein falsches Schluckmuster, also atmen beispielsweise falsch beim Kauen oder Trinken, schieben ihre Zunge beim Schlucken über die Vorderzähne oder zerkleinern die Nahrung im Mund nur unzureichend wegen einer Fehlstellung der Zähne. Auch eine schlechte Körperhaltung oder Fehlhaltung des Kopfes kann auf Dauer zu einem alternativ erlernten Schluckmuster führen, was die Schluckstörungen verursacht.
Unbehandelt begleiten die falsch erlernten Muster beim Kauen und Schlucken die Betroffenen meist bis ins Erwachsenenalter. Als Therapie kommt bei einer funktionellen Schluckstörung in den meisten Fällen eine logopädische Behandlung in Betracht, bei der die Ursache durch bestimmte Übungen der Gesichtsmuskeln, eine Korrektur der Körper- und Kopfhaltung oder bestimmte Übungen zur Entspannung gebessert werden soll. Manchmal ist bei einer Schluckstörung ein Eingriff bei einem Hals-Nasen-Ohrenarzt, Kieferorthopäden oder Zahnarzt erforderlich, um im ersten Schritt die notwendige Physiologie für einen gesunden Schluckvorgang zu schaffen, z. B. bei einer Zahnfehlstellung.
Organisch bedingte Schluckstörungen, sogenannte Dysphagien, beginnen, anders als die funktionellen Störungen, in den meisten Fällen nicht im Kindesalter. Organisch bedingte Schluckstörungen sind fast immer eine Begleiterscheinung für ein bestehendes körperliches Problem. Oft tritt eine Dysphagie plötzlich auf, manchmal auch ohne dass der eigentliche Grund, also eine vorhergegangene Erkrankung, bekannt ist.
Es gibt eine Vielzahl von Ursachen, die Schluckstörungen als begleitendes Symptom einer Erkrankung auslösen können. An erster Stelle stehen neurologische und tumorbedingte Erkrankungen wie z. B. Parkinson oder Speiseröhrenkrebs. Auch nach einem Schlaganfall kann es zu Schluckbeschwerden kommen. Bei Verletzungen des Kopfes oder der Halswirbelsäule sind Schluckstörungeneine eine häufige Begleiterscheinung. Außerdem können Krankheiten des Hals-Nasen-Ohren-Traktes Schluckbeschwerden auslösen und auch internistische oder medikamentös bedingte Ursachen können für eine Dysphagie verantwortlich sein. Bei älteren Patienten ist häufig eine Demenz der Auslöser für Schluckstörungen.
Bei organisch bedingten Schluckstörungen richtet sich die Therapie zunächst insbesondere nach dem eigentlichen Auslöser für die Beschwerden. Häufig kommen zur Behandlung einer Dysphagie alternative Mechanismen des Schluckaktes in Betracht, ein sogenanntes Schlucktraining, das mithilfe eines Logopäden oder Sprachtherapeuten durchgeführt werden kann. Ein gezieltes Muskeltraining im Mund-, Gesichts-, Kopf- und Halsbereich kann ebenfalls zu einer solchen Therapie gehören.
Je nach auslösender Erkrankung kann eine Umstellung der Ernährung bei organisch bedingten Schluckstörungen notwendig werden. Nahrungsmittel mit einer weichen Konsistenz lassen sich leichter schlucken als z. B. Nahrungsmittel, die sehr trocken oder krümelig sind. Passierte Nahrung eignet sich für Patienten die von einer mittleren bis schweren Dyspahie betroffen sind. In gravierenden Fällen kann eine vorübergehende oder auch dauerhafte Versorgung des Patienten durch eine Magensonde unumgänglich sein.
Sabrina Mandel